Donnerstag, 25. März 2021

Raabe verstehen geht über Eck.

Raabes Texte sind häufig schwierig -

für unsere heutigen Lese und Denkgewohnheiten .

Hier ein besonders hübsches Zitat aus „Drei Federn“. 

In diesem Abschnitt macht seine Figur des Juristen Hahnemann (was für ein guter, weil zu seiner Rolle passender Name) einen Lebensrückblick, sagt und deutet an

„Es gab eine Zeit, wo ich mit großem Eifer das trieb, was die Millionen „Politik“ nennen; ich nannte es Philosophie der Geschichte, um dem Dinge ein erhabeneres Ansehen zu geben, und der Name tat hier wie überall das meiste zur Sache. 

Es gab eine Zeit, wo ich die Geschicke der Erde abwog wie ein auswärtiger Minister der deutschen Mittelstaaten, wenngleich mit etwas weniger Bewusstsein meiner welthistorischen Bedeutung und Unentbehrlichkeit.

Es gab eine Zeit, wo ich meine geistige Schwermut und körperliche Krankheitsfurcht in alle jene kindisch-hohen Fragen an die Gottheit, aus welchen der unzufriedene Mensch sich so gern den Mantel seiner Weisheit zusammenschneidert, auflöste.“

Falls Sie das in einem Rutsch verstanden haben, ist dieser Teil des Raabe-Abiturs bestanden. :) 

Vieleck zum Kreis gemacht. Wikimedia.
Über Ecke gedacht wird es auch rund.


 Ende.

Donnerstag, 18. März 2021

Es ist leicht, Raabe schwierig zu finden.

Aus den zwei feurigen Anfangsartikeln vom Buch „Raabe und heute“ 

stammen diese kurzen Textausrisse zur Aufmunterung, sich die vollständigen Texte zu besorgen.  


Hubert Winkels 

Raabe ist schwer erträglich, aber nicht totzukriegen

Ein Meister hochkomplexer, selbstreflexiv ironischer Erzählstrategien, mit einem ornamental gedrechselten Stil und betulich gedehnten Tonfall. Es gab Staunen und Begeisterung über die Modernität Raabes einerseits, dann aber auch über seine sehr tief in Skepsis fundierte Menschenkenntnis; über die bürgerlich verkapselte Antibürgerlichkeit Raabes; und nicht zuletzt über das Genie der ausschweifenden und doch konzisen Prosaperiode. Raabe langsam und laut zu lesen ist fast immer ein Hochgenuss. In seiner reflexiven Erzähldramaturgie kann man sich verlieren. Und ob man etwas für sein Leben in der jetzigen Zeit mitnehmen kann aus der Lektüre, wie es eine problematische frühe Raabe—Rezeption nahegelegt hat? Ein Versuch gleichwohl: In der Form gebundene Zivilisationsskepsis und Geschichtspessimismus wären nicht allein ästhetische Angebote zum intellektuellen Genuss, sie könnten auch als fordernde Vorschule der Gelassenheit dienen. 


Moritz Baßler 

Man kann es sich in Raabes Welten nicht gemütlich machen. … 

Das Problem ist ja deutlich größer und betrifft keineswegs nur diesen speziellen Autor mit seinem besonderen Stil — es betrifft die Literatur des deutschsprachigen Realismus, ja einen Großteil unseres Kulturgutes insgesamt. Der Historiker Reinhart Koselleck prägte einst den Begriff der „Sattelzeit“ für eine Periode massiven historischen Wandels (er meinte: um 1800), hinter die wir nur noch mit besonderen Werkzeugen und besonderer Ausbildung zurückblicken können (Wie hinter einen Bergsattel), weil alles davor unserer „natürlichen“, also kulturell geprägten Intuition unzugänglich geworden ist. Dieser Sattel scheint sich derzeit massiv zu verschieben: Alles was nicht im Kontext unserer neuen Medien, des Fernsehens, Films, vor allem aber des World Wide Web seinen Ort bekommt, verliert seine kulturelle Selbstverständliehkeit, die es gerade eben — also etwa in meiner Schulzeit — doch noch hatte. Fragen Sie mal einen jungen Menschen nach Marilyn Monroe, geschweige denn Hölderlin — die kennen nur noch Nerds. Die poetischen Realisten, Storm, Keller, Fontane, kommen immerhin noch im Curriculum des Gymnasialunterrichts vor, nur waren sie just dort womöglich schon immer fehl am Platze. Um ihre Erzählungen schätzen zu können, muss man schließlich, wie bei Raabe, schon einmal entsagt haben im Leben — es handelt sich mit anderen Worten um das Gegenteil von Jugendliteratur; … 

Ende.

Samstag, 13. März 2021

Immobilienprobleme in Eschershausen

Erhaltet die wenigen Museen im Landkreis!

BevernKulturzentrum & Heimat

BodenwerderLiteratur Münchhausen

Grünenplan: Glas

HolzmindenPuppen & Heimat

Stadtoldendorf: Heimat (außer Betrieb), Freiluftmuseum Mühlenanger

EschershausenLiteratur Wilhelm Raabe, Motorrad (Wickensen).

In Hannover, Braunschweig, Göttingen, Paderborn, Hildesheim kann man keine 1000 Meter gehen, ohne ein Plakat für eine Kunstausstellung oder eine Kulturveranstaltung zu sehen.

Im Landkreis hinter dem Tunnel, genauer Eschershausen, werden Kultureinrichtungen lieber abgewickelt, anstatt entwickelt. Siehe hier die "weitere Immobilie in der Raabestraße". Ein Schelm, wer dabei an Raabestraße Nr. 10., das Rathaus denkt (und nicht an das Raabemuseum).

Ausriss aus dem Täglichen Anzeiger.

Paranoia im TAH vom 11. März 2021.
Entwicklung oder Abwicklung?
Wenn Altes nicht mehr trägt, ist es Zeit für Neues,
nur sollte dabei das Geistige nicht zu kurz kommen,
sonst droht die Wüstenei.

Ende.

Donnerstag, 11. März 2021

Zeichen für Kultur – Porzellan: Raabe als Standfigur

Raabe (fast) in Lebensgröße

Wilhelm Raabe war sehr bekannt dafür, häufig und gut zu Fuß unterwegs zu sein. Sicherlich auch, um seine Atembeschwerden zu lindern, war er im Umland Stuttgarts, im waldreichen Harz oder an der heilklimatischen Nordseeküste und der Insel Borkum unterwegs. Ein Foto zeigt ihn, wie er auf einem Wellenbrecher in Borkum spazieren geht. Dabei führt er den Regenschirm (heute noch original in Braunschweig zu sehen), der, zusammen mit dem lang geschnittenen Mantel, seine Körperlänge elegant unterstreicht.
Raabe auf einer Bune auf Borkum.
Spaziergang in Borkum 1902, 1903.
Zum 175 Geburtstagsjubiläum konnte die Porzellanfabrik Fürstenberg gewonnen werden, Ihre Kunst zur Verfügung zu stellen. Als Motiv wurde ein Gipsabbild der Person Raabes von Bildhauer Hans Bethmann, 1909, gewählt, dem vermutlich dieses Foto von 1902, 1903 zugrunde liegt.

Obwohl Raabe durchaus melancholisch, pessimistisch daher kam (siehe die erste Buchhälfte von „Die Akten des Vogelsang“) ist der auf dem Foto sichtbare gebeugte Gang eher den unegalen Steinen der Bune und dem Gegenwind geschuldet – daher wohl auch der fest aufgesetzte Hut.
Dieses Hintergrundwissen dürfte beim Betrachten der 30 Zentimeter hohen detailreichen porzellanen Statuette hilfreich sein.


Ein kurzer Eindruck: 


Ende.

Donnerstag, 4. März 2021

Übersetzen ist wählende Kreativität.

Anspruchsvolle Arbeit für jene, die ein Wörtchen mitzureden haben.

Ein Philologe oder ein Interpret kann ganze Bände mit seinen Einfällen und Gedanken füllen. Die Übersetzerin aber muss sich bei jedem Wort für eine Lösung entscheiden, gegen ein anderes Wort. Und welches Wort sie auch immer wählt: Es ist Ihre Entscheidung und sie muss verantwortet werden. 

"Das gilt auch Werke, die durch den Abstand der Zeit sich fremd ausnehmen. Fremd, aber alles andere als frei, denn der Übersetzer kann der schwierigen Geschichte des Werkes und seiner Wirkung nicht entgehen. So kann am Ende der Arbeit ein Text stehen, der etwas ist, was das Original nicht sein kann, nämlich eine Übertragung nicht nur in eine andere Sprache, sondern auch in eine andere Zeit. "

Vielleicht für die Zukunft: der telepathische Übersetzer aus „Per Anhalter durch die Galaxis“ von Douglas Adams. 
Der telepatische Babelfisch, klein und gelb.
„Der Babelfisch ist klein, gelb,
lauchähnlich und womöglich
das seltsamste Ding im Universum.“

Übersetzungsleistung kann gar nicht genug wertgeschätzt werden. 

Gedanken aus SZ vom 18. März 2020.
Thomas Steinfeld über Luigi Reitani:
„Hölderlin. Gedanken über einen Dichter auf der Flucht.“
Folio Verlag, 108 Seiten.

Ende.