Sonntag, 27. September 2020

Wilhelm Raabe-Literaturpreis 2020 geht an:

Die Schriftstellerin Christine Wunnicke.

Der mit 30.000 Euro dotierte Wilhelm Raabe-Literaturpreis, gestiftet von der Stadt Braunschweig und dem Deutschlandfunk, geht in diesem Jahr an Christine Wunnicke für ihren Roman „Die Dame mit der bemalten Hand“ (erschienen 2020 im Berenberg Verlag). 

Der Oberbürgermeister der Stadt Braunschweig, Ulrich Markurth, und Deutschlandradio-Intendant Stefan Raue stimmten dem Vorschlag der Jury zu.

Die Jury des Wilhelm Raabe-Literaturpreises, die am 21. September tagte, setzt sich in diesem Jahr zusammen aus Prof. Dr. h.c. Gerd Biegel (Präsident der Internationalen Raabe-Gesellschaft e.V.), Prof. Dr. Moritz Baßler (Germanistisches Institut, Westfälische Wilhelms-Universität, Abteilung Neuere deutsche Literatur), Alexander Cammann (DIE ZEIT), Thomas Geiger (Literarisches Colloquium Berlin), Dr. Anja Hesse (Dezernentin für Kultur und Wissenschaft der Stadt Braunschweig), Dr. Michael Schmitt (3sat), Prof. Dr. Renate Stauf (Germanistisches Institut, TU Braunschweig), Katharina Teutsch (u.a. FAZ und ZEIT) und Dr. Hubert Winkels (Deutschlandfunk).  

Die Begründung der Jury lautet: 

„Christine Wunnicke hat über Jahrzehnte hinweg ein eigenständiges Werk geschaffen, in dem sich die Gattungen mischen. Gelehrte Groteske. Historischer Miniaturroman. Wissenschaftssatire. Sie beherrscht die Wissensjargons verschiedener Zeiten, mythologische und religiöse Idiomatiken und poetische Aufschwünge ebenso wie deren Parodien. Immer arbeitet sie auf der Grenze zwischen beiden. Am Kipppunkt von Wahn in Wissen und umgekehrt; von Bericht und Karikatur eines Berichts. Aus dem zufälligen Zusammentreffen einzelgängerischer Helden der Wissenschafts- und der Weltgeschichte schlägt sie helle Funken der Erkenntnis und der Komik. In ‚Missouri‘ wird der Erneuerer der englischen Dichtung von einem Cowboy entführt. In ‚Katie‘ versucht ein Experimentalwissenschaftler Messungen an einem spiritistischen Medium vorzunehmen. Auch ‚Die Dame mit der bemalten Hand‘ handelt von dem tragikomisch scheiternden Versuch, die Welt zu vermessen. Der persische Astrolabienbauer Musa al-Lahuri strandet auf einer struppigen Insel vor Bombay und trifft auf den deutschen Mathematiker Carsten Niebuhr. Ausgerechnet das Vermessungsgenie soll die Originalschauplätze der biblischen Heilsgeschichte studieren und ist vom Weg abgekommen. Der Perser und der Deutsche reden vielsprachig wortreich aneinander vorbei. Aus den Scherben eines Kommunikationsdesasters baut Christine Wunnicke neue bizarr-schöne Gebäude. Der clash of cultures ist hier ein Vergnügen für gebildete Zuschauer von Schiffbrüchen und sprachdionysische Aufklärungsskeptiker. Christine Wunnicke arbeitet den Wahnsinn am Grund unserer Erkenntnis und unseres Wissens heraus. Anschaulich, turbulent, komisch und deshalb schön.“ 

Der diesjährige Wilhelm Raabe-Literaturpreis wird coronabedingt nicht vor Ort im Braunschweiger Staatstheater verliehen, sondern im Rahmen einer klassischen Sendung im Programm des 

Deutschlandfunk und zusätzlich des 

Deutschlandfunk Kultur, dem ‚Studio LCB‘, ausgestrahlt zunächst am 

Samstag, 28. November 2020.   

Mit der Verleihung dieses Preises zeichnen die Stadt Braunschweig und Deutschlandfunk jährlich ein in deutscher Sprache verfasstes erzählerisches Werk aus. Mit der Auszeichnung soll exemplarisch das bis zum Zeitpunkt der Preisverleihung publizierte literarische Schaffen gewürdigt werden. Ein neues Buch des/der Preisträgers/Preisträgerin muss im laufenden Kalenderjahr der jeweils aktuellen Vergabe erschienen sein.  

Zu den bisherigen Preisträgerinnen und Preisträgern gehören Rainald Goetz, Jochen Missfeldt, Ralf Rothmann, Wolf Haas, Katja Lange-Müller, Andreas Maier, Sibylle Lewitscharoff, Christian Kracht, Marion Poschmann, Thomas Hettche und Clemens J. Setz, Heinz Strunk, Petra Morsbach, Judith Schalansky und Norbert Scheuer.

Ende.

Donnerstag, 24. September 2020

Raabe Geburtstag zum 189 x

Zwar verstarb Wilhelm Raabe vor 110 Jahren, 

aber wer will schon an ein Todesdatum erinnert werden.

Die Eschershäuser Raabegesellschaft jedenfalls trifft sich lieber jährlich am lebensübergroßen Denkmal vor der Wilhelm-Raabe-Schule. Nach kurzem Gedenken an den Geburtstag wurde eine in schöner Blüte stehende Blumenschale abgelegt.

Standbild mit Blumenschmuck
Geschmücktes Standbild. ML 2020.

Das Museum Raabe-Haus hat sich mit einem stilvollen Laubkranz geschmückt, der sich sehr hübsch von der Sandsteinverblendung abhebt. 

Raabemuseum mit Laubkranz.
Laubbekränzte Front. ML, 2020.

Das ermuntert doch, das Museum einmal zu besuchen und etwas über den Lebensweg Raabes zu erfahren.

Viel Freude daran!


Ende.

Donnerstag, 17. September 2020

Shortlist für den Wilhelm Raabe-Literaturpreis 2020

 Bitte vormerken - vier Autorinnen und ein Autor sind mit ihren Werken nominiert:

Anna Katharina Hahn: Aus und davon    Suhrkamp Verlag, 2020

Leif Randt: Allegro Pastel        Verlag Kiepenheuer & Witsch, 2020

Anne Weber: Annette, ein Heldinnenepos    Matthes & Seitz Berlin, 2020

Iris Wolff: Die Unschärfe der Welt        Klett-Cotta Verlag, 2020

Christine Wunnicke: Die Dame mit der bemalten Hand    Berenberg Verlag, 2020

Mit 30.000 Euro Preisgeld gehört der Wilhelm Raabe-Literaturpreis zu den bedeutendsten literarischen Auszeichnungen im deutschsprachigen Raum. Der Preis wird von den Kooperationspartnern Deutschlandfunk und der Stadt Braunschweig vergeben. Jedes Jahr wird mit dem Wilhelm Raabe-Literaturpreis ein in deutscher Sprache verfasstes erzählerisches Werk gewürdigt. Alleiniges Vorschlagsrecht obliegt der Jury, die jedes Jahr neu berufen wird.  

Die Jury des Wilhelm Raabe-Literaturpreises besteht aus neun Personen und setzt sich in diesem Jahr zusammen aus Prof. Dr. h.c. Gerd Biegel (Präsident der Internationalen Raabe-Gesellschaft e.V.), Prof. Dr. Moritz Baßler (Germanistisches Institut, Westfälische Wilhelms-Universität, Abteilung Neuere deutsche Literatur), Alexander Cammann (DIE ZEIT), Thomas Geiger (Literarisches Colloquium Berlin), Dr. Anja Hesse (Dezernentin für Kultur und Wissenschaft der Stadt Braunschweig), Dr. Michael Schmitt (3sat), Prof. Dr. Renate Stauf (Germanistisches Institut, TU Braunschweig), Katharina Teutsch (u.a. FAZ und ZEIT) und Dr. Hubert Winkels (Deutschlandfunk).   

Der Wilhelm Raabe-Literaturpreis 2020 wird Anfang November vergeben.

Weitere Informationen unter der Telefonnummer (05 31) 70 75 834.

Ende.

Montag, 7. September 2020

Zum 189. Geburtstag Wilhelm Raabes

Wilhelm Raabe zwischen Zeitgeist und Moderne

Betrachtungen zur Aktualität und internationalen Bedeutung des 

braunschweigischen Schriftstellers aus Eschershausen zum 189. Geburtstag

Prof. Dr. h.c. Gerd Biegel, M.A.

Institut für Braunschweigische Regionalgeschichte und Geschichtsvermittlung, TU Braunschweig

Präsident der Internationalen Raabe-Gesellschaft e.V.

 »Einer darf die Krone tragen. Einer soll das Zepter führen. Wilhelm Raabe – im Dreigestirn deutscher Kunstprosa des Realismus, das er mit Storm und Fontane bildet, hat er sich klar als der Strahlendste behauptet. Das war nicht vorauszusehen. Das ist im Grunde eine Entwicklung der letzten Jahre. Das hat sich erst ergeben, seit man das Moderne in Raabe zu erkennen vermag, mit dem er dem doch insgesamt reichlich altbackenen Storm, dem immer eine Spur gefälligen Fontane überlegen ist«.

 Dieses Zitat aus der Literaturkritik hebt die Bedeutung und die Moderne von Wilhelm Raabe unmissverständlich hervor. Hervorgehoben werden soll auch, dass dieser bedeutendste Bürger des Weserberglandes vor 189 Jahren, am 8. September 1831, in Eschershausen geboren wurde. Der Schriftsteller ist zweifelsohne eine der bedeutendsten Persönlichkeiten des ehemaligen braunschweigischen Weserkreises sowie des Weserberglandes überhaupt.

Sein Rang und seine Bedeutung in der deutschen Literaturgeschichte sind in den letzten Jahren zunehmend gewachsen, denn die Forschung entdeckte die Moderne in den Werken Raabes und die Aktualität des Anwalts »der Außenseiter und Unangepassten, der Mühseligen und Beladenen« im stolzgeschwellten wilhelminischen Deutschland, der mit kritischer Beobachtungsgabe die Auswüchse seiner Zeit thematisierte und gnadenlos offen legte. Wilhelm Raabe brach eine Lanze für Geisteskranke sowie Prostituierte, und prangerte Vorurteile der Bürgergesellschaft offen an. Und mehr noch: Eine deutliche Raabe-Renaissance ist in den letzten Jahren zu erfahren und die zunehmende Attraktivität von Wilhelm Raabe beruht auf der Aktualität der Themen und Aussagen in Raabes Werken, insbesondere für Raabes warnende Auseinandersetzung mit den ökologischen Folgen der Umweltverschmutzung. Mit »Pfisters Mühle« schrieb er 1883 zu diesem Thema den ersten Roman, zu einer Zeit, als selbst Humanisten noch nichts mit dem Wort »Ökologie« anzufangen wussten.

Die Kritik am Kolonialismus im Roman »Abu Telfan«, die Auseinandersetzung mit der Sinnlosigkeit des Krieges als Mittel der Politik in »Odfeld« und vielen anderen Werken machen die aktuelle Bedeutung Raabes zusätzlich aus, so dass festgestellt werden kann: 

Wilhelm Raabe ist ein Dichter für das 21. Jahrhundert geworden – kritisch, visionär und aktuell!

Die bewahrte und gelebte Erinnerung an Wilhelm Raabe bestimmt die Identität von Eschershausen als »Raabe-Stadt«. Dazu tragen auch entschieden die Aktivitäten und die unermüdlichen Initiativen und die Begeisterungsfähigkeit der ehrenamtlichen Raabefreundinnen und –freunde im Raabemuseum bei und bewahren, gemeinsam mit der Internationalen Raabe-Gesellschaft Raabe und sein Wohnhaus in Eschershausen als »kulturelle Leuchttürme« von weit überregionaler und nationaler Strahlkraft.

Ende.

Donnerstag, 3. September 2020

Zensur 1814.


Polizeistaat und Überwachungskultur.


Wer ein Auge für diese Dinge hat, findet bei Raabes Texten immer mal wieder einen kleinen Seitenhieb auf die damalige obrigkeitliche Zensur. Diese war geboren als Antwort auf die Französische Revolution und die ähnlichen Bestrebungen gegen den Adel im deutschsprachigen Raum. Metternich war die treibende Kraft hinter dem Deutschen Bund und der geheimen Zensurbehörden. In den – nach der französischen Besatzung gerade wiedererstandenen – Braunschweigischen Landen, wurde 1814, neben allerlei ach so wichtigen Militärdingen, flugs auch gleich in der allerersten Verordnungssammlung die Zensur von Druckschriften geregelt.
Serenissimi Verordnung 28. März 1814
1. Jahrgang 1814
Besonders entlarvend ist der Einleitungsgedanke, dass eine „vernünftige“ Presse nicht beschränkt werden soll. Dann folgen in deutscher Gründlichkeit zwanzig Paragrafen zum Schutze der Ruhe im Lande und des Adels.



(51.) Serenissimi Verordnung vom 28sten März d. J., die Censur der Druckschriften betreffend.



Von Gottes Gnaden, Wir Friedrich Wilhelm, Herzog zu Braunschweig-Lüneburg, auch in Schlesien Fürst zu Oels und Bernstadt ec. ec.

fügen hiemit zu wissen:

So wenig Wir auch gemeinet sind, eine vernünftige Preßfreiheit irgend beschränken zu wollen, so lehrt doch die Erfahrung hinlänglich, daß der Mißbrauch derselben gar leicht zu unangenehmen Folgen mancher Art Gelegenheit gebe. Um daher diesen zuvorzukommen, ohne jene im wesentlichen zu beschränken, verordnen Wir hiedurch folgendes:

§. 1.
Vom Tage der Publication der gegenwärtigen Verordnung angerechnet, soll keine politische Zeitung und kein Intelligenz-Blatt in Unsern Landen gedruckt werden, wenn Wir nicht zuvor dazu Unsere Genehmigung ertheilt, und wegen der Censur derselben das Nöthige verordnet haben.

Verordnungssammlung Braunschweig S. 238
Seite 238
§. 2.
Ausgenommen hiervon sind allein,
1) die öffentlichen Anzeigen, welche hieselbst erscheinen, und
2) die Zeitung für die Landleute, welche in Wolfenbüttel herausgeben wird, da dieser Blätter halber die nöthigen Einrichtungen bereits bestehen.


§. 3.
Der Censur sind unterworfen,
1) alle Bücher und Schriften über Gegenstände der Religion und Gottesverehrung,
2) alle dergleichen, welche politischen Inhalts sind,
3) alle Romane, Gedichte und Liedersammlungen,
4) alle Kalender und Almanache,
5) alle einzelne Lieder, Gedichte, Pamphlets und Brochuren, so wie
6) alle zum öffentlichen Anschlage oder zum Vertheilen im Publico bestimmten Aussage, diese mögen schriftlich oder gedruckt bekannt werden sollen.

§. 4.
Verordnungssammlung Braunschweig S. 239
Seite 239
Alle übrigen unter der Bestimmung des vorhergehenden §phen nicht begriffenen Bücher und Schriften dürfen ohne vorgängige Censur gedruckt, und verkauft werden; für den Inhalt bleibt der Verfasser, oder wenn sich dieser nicht genannt hat, der Buchdrucker verantwortlich.
Es darf daher innerhalb Unserer Lande kein dergleichen Buch gedruckt werden, wenn nicht einer von beiden sich genannt hat, oder aber, wenn aus irgend einem Grunde beide sich nicht zu nennen wünschen, der Name und Wohnort des Verfassers oder Druckers, oder aber des Verlegers, falls dieser die Verantwortlichkeit für beide übernehmen will, Unserm Geheimen Raths-Collegio bestimmt angezeigt worden.
In Ansehung der Journale entscheidet ihr Inhalt, ob sie nach Vorstehendem der Censur zu unterwerfen sind.

§. 5.
Verordnungssammlung Braunschweig S. 240
Seite 240
Die Censur soll verwaltet werden:
1) In Ansehung der Schriften, welche die Religion und Gottesverehrung betreffen, von Unserm Consistorio zu Wolfenbüttel.
2) In Ansehung der unter den Nummern 2 – 4 des vorstehenden 3ten §phen erwähnten Schriften von, demjenigen, welchem Wir dieses Geschäft hieselbst zu übertragen Uns vorbehalten.
3) In Ansehung der unter Nro. 5 und 6 desselben §phen erwähnten Gegenstände von der ordentlichen Polizei-Obrigkeit des Ortes.

§. 6.
Im Allgemeinen haben vorerwähnte Censur-Behörden dahin zu sehen, daß keine Bücher und Schriften in Umlauf kommen, welche der dem Regenten und dessen befreundeten Mächten schuldigen Ehrerbietung, der öffentlichen Ruhe, der den verschiedenen Religionen schuldigen Achtung, oder den guten Sitten zuwider sind, oder auch bloß persönliche Verunglimpfungen der Staatsdiener oder anderer Landeseinwohner zum Zwecke haben, und vertrauen Wir zu ihnen, daß sie hiernach bei Beurtheilung der ihnen vorzulegenden Schriften mit gehöriger Ueberlegung und Gewissenhaftigkeit verfahren werden.

§. 7.
Verordnungssammlung Braunschweig S. 241
Seite 241
Wäre ein Censor zweifelhaft, ob der Abdruck eines Werkes gestattet werden könne, oder nicht, so hat er deshalb von Unserm Geheimen-Raths-Collegio sich Verhaltungsmaße zu erbitten.

§. 8.
Würde ein Censor einer Schrift die Bewilligung zum Drucke ertheilen, welche nach obstehenden Vorschriften nicht hätte genehmigt werden sollen, so bleibt zwar der Drucker, Verleger oder Schriftsteller von Verantwortlichkeit deshalb, insofern nicht etwa jemand Privatgenugthuung zu fordern berechtigt wäre, frei; Wir behalten Uns aber vor, den Censor deshalb, dem Befinden nach, zur Verantwortung zu ziehen.



Verordnungssammlung Braunschweig S.242
Seite 242
§. 9.
Alle der Censur unterworfene Schriften sind zeitig, und zwar, so viel die eigentlichen Bücher betrifft, spätestens 4 Wochen; Schriften aber, welche unter sechs gedruckte Bogen stark sind, spätestens 14 Tage vor der zum Abdrucke bestimmten Zeit an die Censur-Behörde einzusenden.
Sie müssen deutlich und feierlich und ohne viele Abänderungen geschrieben, auch paginirt seyn. Werden die Manuscripte diesem nicht gemäß befunden, so sind selbige zur Anfertigung einer reinlichen Abschrift zurückzugeben.

§. 10.
Die Censur-Behörde hat selbige binnen vorstehender Frist durchzusehen, und falls sie nichts dagegen zu erinnern findet, auf dem Titelbogen mit dem Imprimatur zu versehen, und dabei zu bemerken, aus wie vielen geschriebenen Seiten das Manuscript bestanden habe. Auch ist, um alle nachherige Verwechselungen der Blätter zu vermeiden, jedes Blatt mit der Namenschifre des Censors zu versehen.
Finden sich einzelne Abänderungen im Manuskripte, so hat der Censor auch diese, zum Beweise, daß er sie gesehen, am Rande mit seiner Chifre zu bezeichnen.

§. 11.
Verordnungssammlung Braunschweig S. 243
Seite 243
Findet der Censor die Schrift an sich zulässig, jedoch daß darin einzelne Ausdrücke oder Sätze einer Abänderung bedürfen, so hat er diese dem Verfasser bemerkIich zu machen, und erst nach erfolgter Abänderung, welche, wie vorsteht, vom Censor zu bezeichnen ist, die Erlaubniß zum Drucke zu ertheilen. Würden der Schriftsteller oder Drucker sich die vom Censor verlangten Abänderungen nicht gefallen lassen wollen, oder auch sich durch die versagte Erlaubniß zum Drucke einer Schrift beschwert erachten, so bleibt ihnen eine Vorstellung dagegen bei Unserm Geheime-Raths-Collegio offen, bei dessen Entscheidung aber hat es sein endliches Verbleiben.

§. 12.
Die Manuskripte der censirten Bücher sind nach dem Abdrucke zu etwaniger Vergleichung an die Polizei-Behörde des Wohnorts des Druckers oder Schriftstellers abzugeben, und von dieser aufzubewahren.

§. 13.
Den Censurbehörden soll für Ihre Bemühung die schon früher bestimmt gewesene Gebühr von 2 Ggr. für den gedruckten Bogen von dem Drucker oder Verfasser entrichtet werden.

§. 14.
Alle nach §. 5. der Censur der Polizeibehörde unterliegende Gegenstände müssen, ehe sie zum Drucke, oder falls sie etwa schon gedruckt eingebracht worden, ehe sie zum Verkauf oder zu einer sonstigen Distribution gebracht werden, selbiger Behörde vorgelegt werden, um nach Anleitung des §. 6. zu ermäßigen, ob der Abdruck oder die Distribution zu gestatten sey. Die hier schriftlich, jedoch unentgeldlich, zu ertheilende Erlaubniß hat dieselbe Wirkung, als das Imprimatur des Censors. Ist eine solche Erlaubniß zum Verkaufe oder sonstigen Distribution schon von der hiesigen Polizei-Direktion oder einer andern Polizei-Behörde in Unsern Landen ertheilt worden, so ist solche vorzuzeigen, und von der Polizei-Behörde des Ortes, wo der fernere Vertrieb stattfinden soll zu visiren.

§. 15.
Verordnungssammlung Braunschweig S. 244
Seite 244
Derjenige Drucker oder Schriftsteller, welcher vorstehenden Vorschriften zuwider-, Bücher oder Schriften welche der Censur unterworfen sind, ohne vorgängig das Imprimatur erwirkt zu haben, drucken oder auch das gebilligte Manuscript nicht an die Polizei-Behörde zur Aufbewahrung abgeben, so wie ein jeder, welcher Gegenstände, die der Censur der Polizei-Behörde unterworfen sind, ohne deren Erlaubniß verkaufen oder sonst im Umlauf bringen würde, verfällt in eine Strafe von 25 bis 100 Rthlr.; härtere Strafen, wenn der Fall deren erheischen sollte, so wie der Privatgenugthuung gegen beleidigte Personen vorbehältlich.





§. 16.
Verordnungssammlung Braunschweig S. 245
Seite 245
Den vorstehenden Verfügungen zuwider, zum Druck oder sonst ins Publikum gebrachte Schriften können dem Befinden nach confiscirt werden.

§. 17.
Derjenige Censor, welcher die ihm vorgelegten Schriften nicht binnen der §. 10. vorgeschriebenen Frist befördern würde, bleibt dem Verleger oder Schriftsteller für den daraus erwachsenden Schaden verantwortlich.

§. 18.
Die Bücher-Katalogen bleiben einstweilen von der Censur befreiet. Würden sich aber darin Bücher finden, deren Verkauf von Uns verboten worden, oder aber welche zu denen gehören, deren im §. 6. erwähnet worden, so haben die mit der Haltung der Auctionen beauftragten Personen deren Verkauf nicht zuzulassen, sondern vielmehr die sich vorfindenden Exemplare an die Polizei-Behörde des Ortes abzuliefern.

§. 19.
Ein jedes etwa zu erlassendes Bücherverbot soll, gleich andern Gesetzen zur Nachricht und Nachachtung öffentlich bekannt gemacht werden.

§. 20.
Sämmtliche Unsere Unterthanen, und insbesondere sämmtliche Obrigkeiten und Censoren, haben sich hiernach gebührend zu achten.

Verordnungssammlung Braunschweig S. 246
Seite 246
Urkundlich Unserer eigenhändigen Unterschrift und
beigedruckten Fürstl. Insiegels.
Gegeben Braunschweig, den 28sten März, 1814.

Friedrich Wilhelm,
Herzog zu Braunschweig - Lüneburg ec.

v. Schmidt-Phiseldeck.







Ende.