Donnerstag, 23. Januar 2020

Raabe ist entstaubt – wie Wissenschaft und Literatur Wilhelm Raabe neu entdecken.


Raabe und heute: Umweltzerstörung, Kolonialismus, Umgang mit Fremden

erstaunlich viele der Themen, die uns derzeit umtreiben, finden sich bereits bei Wilhelm Raabe (1831—1910). Der Band versammelt Beiträge bedeutender Autorinnen und Autoren aus Gegenwartsliteratur und aktueller Literaturwissenschaft, die das Werk des großen realistischen Erzählers neu erkunden und in seiner Aktualität zugänglich machen. Sie zeigen, wie anregend und bereichernd es sein kann, sich auf die Eigentümlichkeiten und Komplexitäten von Texten wie Abu Telfan, Pfisters Mühle, Die Akten des Vogelsangs oder das unvollendete Altershausen einzulassen.

Buchempfehlung "Raabe und heute".
Empfehlung: Raabe und heute.
Hubert Winkels Vorwort Seite 9
Moritz Baßler Einleitung Wilhelm Raabes bürgerliche Radikalität. Seite 21


Vom Anfangen


Gustav Seibt: Wovon redet der Mann? Seite 33


Beziehungsweisen


Felicitas Hoppe: Du aber! Leser der kurzen Nacht! Zu Abu Telfan. Seite 45
Sabine Peters: Ein Austausch über Wilhelm Raabe. Seite 61
Andreas Maier: Raabe: Mein Agent der Rückabwicklung. Seite 71
Clemens J. Seitz: Rabe will Helm. Seite 83


Kapitalismus/Kolonialismus


Christoph Zeller: Raabe als Kapitalismuskritiker. Seite 87
Dirk Göttsche: Kolonialismus und Globalisierung. Seite 101
Katrin Hillgruber: Südamerikanische Querulanten oder „Donnerwetter, dieses Brasilien!“ Seite 123
Eva Eßlinger: Migranten in Bumsdorf. Zu Abu Telfan. Seite 139


Dickes Erzählen


Ingeborg Harms: Der dicke Erzähler. Seite 173
Jochen Hörisch: Zu Gericht sitzen. Zu Stopfkuchen. Seite 191
Eva Geulen: Der Attrappenonkel in seinem Element. Zu Fabian und Sebastian. Seite 211
Marion Poschmann: Baum, Wald‚ Wildnis. Die Zaubermittel in Raabes Novelle Else von der Tanne. Seite 127


Buch Höhle Krieg


Zu Das Odfeld
Vanessa Höving: Inkorporation und Analität. Seite 241
Matthias Göritz: Die Felder der Zukunft. Seite 265


Leere/Labyrinthe


Matthias Zschokke: Vom Mondgebirge. Zu Abu Telfan. Seite 295
Thomas Hettche: Realismus. Seite 309
Katja Lange-Müller: Ein Windsack von einem Weltüberwinder. Zu Die Akten des Vogelsang. Seite 317
Christof Hamann, Oliver Ruf: Kommunikation mit einem Toten. Zu Wilhelm Raabe und Katja Lange-Müller. Seite 323
Wilhelm Raabe: Denke daran! Seite 348



Vom Enden

Brigitte Kronauer: Abbruch des Spiels. Zu Ich und Altershausen. Seite 351
Die Beiträger. Seite 369



Die Herausgeber

Moritz Bassler ist als Professor an der Universität Münster zuständig für Neuere deutsche Literatur von poetischem Realismus bis Pop.
Hubert Winkels ist Kulturjournalist und Leiter der Literaturredaktion beim Deutschlandfunk. Er ist Sprecher der Jurys des Ingeborg Bachmann Preises und des Wilhelm Raabe Literaturpreises in Braunschweig.
Wallstein Verlag, Göttingen 2019.
378 Seiten. 30 EUR.

Ende.

Donnerstag, 16. Januar 2020

Ehrenmitglied des HKV


Ein ehrenvoller Rahmen mit würdigem Inhalt.


Anlässlich des 20ig jährigen Jubiläums zum Bestehen des „Museum Raabe-Haus“ in Eschershausen, hat der Vorstand des Heimat- und Kulturvereins Herrn Professor Dr. h.c. Gerd Biegel als Ehrenmitglied berufen. 
Nicht nur, dass Professor Biegel und Frau Dr. Klein das Museumskonzept vom Braunschweiger Landesmuseum erstellt und aufgebaut haben, sondern auch unermüdliches Reisen in „das Land hinter dem Tunnel“ und die lehrreichen Vorträge waren Grund genug, für diese seltene Ehre.

Die Ehrenurkunde geht an Prof. Biegel durch Ralph Meyer.
Vorstand Ralph Meyer überreicht die Urkunde.
Foto: Jürgen Bommer, Nov.2019.

Die Achtung und Wertschätzung der Kultur, der hier im ländlichen Raum lebenden, hat durch diese Arbeit und Berichterstattung darüber gewiss zugenommen - und dürfte ruhig noch etwas zunehmen. Weiter so!

Ende.

Donnerstag, 9. Januar 2020

Mit allen Sinnen gelesen?


Im Normalfall ist nicht allein das Auge an Prozessen der Informationsaufnahme beteiligt, sondern der ganze Körper.

Mit allen räumlichen und körperlichen Sinnen wird beim Lesen memoriert – wir nehmen es nur nicht so dezidiert wahr. Eigentlich kann dies keine so grundstürzende Erkenntnis sein, da ja alles mit allem zusammenhängt, jedenfalls hat die Wissenschaft unter dem englischen Begriff „Embodied Cognition“ einen Fachbegriff dafür.
So ist der entspannte Körper am Strand, im Sofa, im Bett immer dabei, Signale von außen und vom zu Lesenden zu verknüpfen und zu erinnern. 130 Leseforscher aus ganz Europa haben in der „Stavanger Erklärung“ dazu geschrieben, dass es einen Unterschied in Lesen und Behalten gibt, ob wir digital am Bildschirm oder analog im Papier lesen.

Schon das Gewicht des Mediums ist ein Faktor (oder ganz modern gesagt, ein „Datenpunkt“), die Glätte der Oberfläche, die Laufrichtung der Augen (eine Bildschirmseite, Buchdoppelseiten), die zeitliche Tastinformation, wenn der linke Buchdeckel langsam an Dicke zunimmt, Geruch von Farblösungsmitteln, Geräusche von Lüftern, einlaufenden System- Appnachrichten oder die Bequemlichkeit des restlichen Körpers, die durch Umblättern oder schiefer Lage immer wieder verändert wird – all dies wird zum (!) Gelesenen mitgespeichert.

Das digitale Lesen hinterlässt nach Ansicht der Forscher also klar weniger Erinnerungen, die mit dem Text verbunden werden. 
Das Lesen von Digitalem im Vergleich zum Lesen von Gedrucktem wäre wie das Gehen mit verbundenen, anstatt offenen Augen. Für den sprechenden Fußgänger mit verbundenen Augen erfolgt die Verarbeitung und Erinnerung auf seinem Weg ausschließlich über die inneren Augen, rein mental ohne bildliche Unterstützung. Der Sehende wird das Gesprochene mit z. B. Gartenzäunen, Hausfassaden, Zebrastreifen verbinden. Alle diese Anker hinterlassen eine Spur im Gedächtnis – je weniger Anker, desto weniger Abbildung, die erinnert werden könnten. Somit ist digitales Lesen abstrakter.

Womit / worin ich lese, macht also etwas mit unserer Erinnerung und, in seiner Gesamtheit viel weiter gedacht, auch mit unserer Wertschätzung von jedem Einzelnen, was wir je gelesen haben. Nach dieser tiefschürfenden Erkenntnis bleibt nur noch die Frage zu klären: cui bono?
Ende.