Sonntag, 29. März 2020

Zensur 2020 Corona

Freiheitsrechte

Das Ordnungsamt Leipzig hat am Montag verfügt, dass die Bahnhofsbuchhandlung Ludwig schließen musste. Mehr als siebentausend Titel an nationalen und internationalen Zeitungen und Zeitschriften konnten in der Buchhandlung, welche die größte ihrer Art in Deutschland sein dürfte, nicht mehr verkauft werden. Sie wurde geschlossen, ob wohl der Verkauf von Zeitungen und Zeitschriften auch in der Corona-Krise weiterhin erlaubt ist. Vierundzwanzig Stunden später zog das Ordnungsamt das Verbot teilweise zurück. Nun dürfen Pressetitel verkauft werden, Bücher aber nicht. So hat das Leipziger Ordnungsamt gerade noch einmal halbwegs die Kurve gekriegt. 
Für vierundzwanzig Stunden aber hatte es die Pressefreiheit nach Artikel 5 Grundgesetz ausgesetzt. 
Denn zu dieser zählt auch, dass man Presseerzeugnisse kaufen kann. Aus gutem Grund: Die „Grundversorgung“ mit unabhängiger Information ist für die Demokratie konstitutiv. Sie wird nicht nur auf elektronischen und digitalen Wegen geleistet und nicht nur vom öffentlich—rechtlichen Rundfunk. Sie entsteht aus der Vielfalt der Darstellungsweisen und Meinungen, und diese wiederum fußt auf der Gesamtheit der Medien in diesem Land. Die zeitweilige Schließung der Buchhandlung Ludwig ist ein fatales Signal. Sie wirft ein Schlaglicht auf eine Entwicklung, die sich gerade in rasender Geschwindigkeit in vielen Lebensbereichen vollzieht und für die Politik neben der alles überformenden Gesundheitsvorsorge eine vorrangige Aufgabe darstellt: Freiheitsrechte werden ohne großes Federlesen suspendiert. 

Zahllose Existenzen, die darauf gründen, Leistungen den Menschen im freien Wettbewerb und selbständig anzubieten, auch solche, die man heute „systemkritisch“ nennt, kommen unter die Räder. Wer sich außerhalb gesicherter Pfade bewegt und nicht vom Staat und nicht von öffentlichem Geld bezahlt wird, ist draußen. Es droht eine „Bereinigung“ fundamentalen Ausmaßes, die nicht nur „Märkte“ betrifft, sondern die Koordinaten der freiheitlichen Grundordnung unserer Gesellschaft. Gestärkt werden transnationale Megakonzerne, die noch nie ausreichend Steuern bezahlt haben und erst in Ansätzen den Anforderungen genügen, die in unserem Rechtsstaat alle anderen zu erfüllen haben. Gestärkt werden aber auch all jene, die ihr Geld nicht selbst verdienen müssen. Die Politik steht vor der großen Aufgabe der Umverteilung. Sie muss die von der Corona—Pandemie ausgelösten Einschränkungen der Lebenschancen vieler Menschen erkennen und ihnen entgegentreten. Bessergestellte auf dem Sonnendeck mögen das Homeoffice für willkommene Abwechslung halten, für viele Menschen geht es um die nackte Existenz. Es wird nicht nur nichts mehr sein, wie es war, es hat sich schon alles verändert. … -

Kommentar von Michael Hanfeld.
Ausriss aus der F.A.Z. vom 25. März 2020.

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„Vielleicht denken wir, wenn alles vorbei ist, auch anders über die Umwelt und die Klimakrise. Die wollen wir ja auch nicht wirklich wahrhaben. So wie anfangs Corona.“
Sabrina Ambrogetti. Bernareggio.
Die Zeit 19. März 2020.
Ende.

Freitag, 27. März 2020

Nur Originales ist Wahres!

Rund 190 Jahre jung - Neuzugänge im Raabe Geburtshaus.


Aus Anlass einer großzügigen Leihgabe besuchten Heidrun Ehninger und Ingo Beck (Angehöriger des historischen Kreises der Kleiderseller) das Raabe Museum. Die Familie Friedrich Ehninger vertreten durch Heidrun Ehninger übergab folgende Kleidungsstücke aus dem Nachlass von Wilhelm Raabe als Dauerleihgabe dem Museum:

  • zwei Samtwesten von Gustav Raabe, Wilhelm Raabes Vater, 
  • das Taufhäubchen von Wilhelm Raabe, 
  • drei Kindermützchen von Wilhelm Raabe und 
  • das Brautgeschenk von Auguste Jeep an ihren Verlobten Gustav Raabe. 

Sie tun dies in dem Wissen, dass diese Objekte im Museum Raabe-Haus in bester Obhut sind.

Museumsleiterin Ingrid Reuther zeigte sich sehr erfreut über diese musealen Neuzugänge aus den Händen der Familie Ehninger, bedeutet es doch, diese Gegenstände zeigen zu dürfen eine wirkliche Bereicherung und macht so das Museum ein Stück attraktiver.


Ende.

Freitag, 20. März 2020

Kleinod: die Raabebühne.

35 Jahre Raabebühne.

2020 feiert die Eschershäuser Raabebühne ihr 35-jähriges Gründungsjubiläum. Anlass genug, diesen langen Zeitraum bürgerschaftlichen Engagement zur Bereicherung der Kulturlandschaft weit über die Grenzen der Stadt Eschershausen hinaus zu würdigen.

Alles begann 1984 – die Initiative, eine Theatergruppe zu gründen, ging von Ingrid Reuther aus. An interessierten Mitspielerinnen und Mitspielern mangelte es nicht, mit viel Ehrgeiz und Idealismus ging die Gruppe an die Realisierung ihres ersten Theaterprojekts heran. Die erste Aufführung des Stückes „Die fröhlichen Geister“ im Jahr 1986 war ein Riesenerfolg, mit dem trotz harter Arbeit im Vorfeld niemand so rechnen mochte. Über viele Jahre konnte die damalige Laiengruppe des MTSV Eschershausen mit einem Repertoire von Bauernschwänken, Volksstücken, Krimis, Boulevardkomödien und auch durchaus anspruchsvollen Musicals schöne Erfolge verbuchen. Einige Zeit nach der Herauslösung der Gruppe aus dem Verbund des MTSV folgten die ersten Inszenierungen aus den Werken von Wilhelm Raabe und die Umbenennung der Gruppe in „Raabebühne Eschershausen“.

Die „Wackerhahnsche“ bildete mit einer sehr erfolgreichen Adaption als Bühnenstück und ihrer Inszenierung im Sommer 2005 den Auftakt, es folgten anlässlich des 175. Geburtstags Wilhelm Raabes „Die Gänse von Bützow“ 2006, sowie „Abu Telfan“ im Frühjahr 2008, die den Ruf der Raabebühne als kulturell ernst zu nehmende Gruppe festigte.
35 Jahre Raabebühne Gruppenbild
Klein, aber langlebig.
Nicht zu vergessen die alljährlich traditionellen und liebevoll inszenierten Märchen zu Weihnachten, mit denen die Raabebühne weit über die Grenzen Eschershausen hinweg ein Markenzeichen gesetzt hatte. 35 Jahre Amateurtheater in Eschershausen, das bedeutet auch 35 Jahre ein Publikum, das den Laienspielern die Treue hält.

=> Die Proben zur Jubiläumsaufführung „Honig im Kopf“ gehen jetzt in die heiße Phase. Kartenverkauf zur Aufführung ist bei Kurt Seitz, Telefon 05534 2676.

Textausriss und Bild aus dem Täglichen Anzeiger Holzminden.
Ende.

Donnerstag, 12. März 2020

Lesewinter 2019 mit Winterbienen

Geht es Ihnen auch so?

Kaum ist der Winter vorbei und die Strecke der gelesenen Bücher ist doch ausnehmend ausreichend, da kommen schon die ersten, verfrühten Gedanken an den Lesesommer.

Falls Sie also im Herbst 2019 versäumt haben, sich mit dem Raabepreisträger Norbert Scheuer vertraut zu machen, so kommt hier die Empfehlung:

Winterbienen“ - eine Antikriegsgeschichte mitten aus dem Leben.


Die Geschichte beginnt ganz harmlos mit dem Satz:
„Ich wohne in einem Bergarbeiterstädtchen, das an einem Fluss liegt, der sich durch einsame, zerklüftete Landschaften schlängelt, eine Gegend mit kleinen Dörfern inmitten von Magerwiesen, Fichten-, Kiefern- und Buchenwäldern, die sich bis zur belgischen Grenze erstrecken...“
So leichtgewichtig der Beginn, so honigsüß der Plauderton, so fesselnd sind die kleinen Happen, die uns Norbert Scheuer als Augenfutter hinlegt. Unbedingt lesen – egal zu welcher Jahreszeit!
Buchrücken der Winterbienen, C.H.Beck Verlag.
Buchrücken der Winterbienen.
Verlag C .H. Beck. Rund 300 Seiten. 978 3 406 73963 7


"Das, was ich notiere, ist nur eine Projektion meines Lebens, es ist weniger und doch gleichzeitig mehr, als ich selbst bin, wie auch die gesprochene Sprache immer mehr ist als ihre schriftliche Wiedergabe, die aber auf der anderen Seite doch vielleicht eine tiefere Wirklichkeit aufzeigt, ebenso wie eine Landkarte niemals die tatsächliche Landschaft selbst darzustellen vermag."

Norbert Scheuer‚ geboren 1951, lebt als freier Schriftsteller in der Eifel. Er erhielt zahlreiche Literaturpreise und veröffentlichte zuletzt die Romane «Die Sprache der Vögel» (2015), der für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert war, und «Am Grund des Universums» (2017). Sein Roman «Überm Rauschen» (2009) stand auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises und war 2010 «Buch für die Stadt Köln».

«Es ist ein Buch voller leichter Sätze, in denen doch das gesamte Gewicht des Lebens enthalten ist: die Hoffnung, die Angst, die Lust.» Oliver Creutz, Stern

«Die Bücher von Norbert Scheuer habe ich in den letzten Jahren mit am liebsten gelesen. Seine leisen und wuchtigen Bücher, seine verrätselten und traumklaren. Wenn Sie sie verpasst haben, dann holen Sie es nach!» Frank Meyer, Deutschlandfunk Kultur Lesart


Wer mehr HÖREN will:

Ende.

Donnerstag, 5. März 2020

Raabe und die Depression


Melancholie und Depression


Wilhelm Raabe betonte selbst, das eine Biografie über ihn gänzlich unnötig sei, da sein ganzes Leben in seinen Büchern zu finden wäre.
Untersucht man seine Texte in Bezug auf seine Lebensphasen, so ist das wohl zutreffend – siehe auch Werner Fuld: Eine Biografie, Carl Hanser Verlag, 1993, 382 Seiten.

An der Schwelle zur Ewigkeit.
 Vincent van Gogh. 1890.
Wie jeder Mensch hatte auch Raabe mit seelischen Höhen und Tiefen zu tun und konnte im bereits 1861 erschienenen Roman „Nach dem großen Kriege“ (Seite 128) den Deprimierten und den in Ihrer Trauerkuhle Gefangenen einen Rat geben, welchen er sicher auch selbst erfahren hat:

"… muss ich Dich aufrütteln zum Leben in der Wirklichkeit? Solch eine finstere, grimmige, passive Versunkenheit, wie sie Dich ergriffen hat, ist auch nutzlose Träumerei und vielleicht die schädlichste. WACH AUF, SeverusWenn der Mut, das Vertrauen, die Hoffnung nicht zu Dir in Deinen dunkeln Winkel kommen wollen, so gehe aus auf die Landstraßen, sie zu suchen. Wir finden sie nicht alle auf dieselbe Weise; aber wir alle können sie finden.“

Im Text finden sich weitere Ermunterungen, Mahnungen und handfeste Empfehlungen.

Auch beim Namen des Angeschriebenen (nicht nur dem des Schreibenden) zeigt sich die berühmte Raabesche Subtilität für Personennamen:
Sever(us) - Lateinisch für ernst, hart, gewissenhaft; in anderen Wortkombinationen auch streng, grausam, schrecklich.

Ende.