Montag, 7. September 2020

Zum 189. Geburtstag Wilhelm Raabes

Wilhelm Raabe zwischen Zeitgeist und Moderne

Betrachtungen zur Aktualität und internationalen Bedeutung des 

braunschweigischen Schriftstellers aus Eschershausen zum 189. Geburtstag

Prof. Dr. h.c. Gerd Biegel, M.A.

Institut für Braunschweigische Regionalgeschichte und Geschichtsvermittlung, TU Braunschweig

Präsident der Internationalen Raabe-Gesellschaft e.V.

 »Einer darf die Krone tragen. Einer soll das Zepter führen. Wilhelm Raabe – im Dreigestirn deutscher Kunstprosa des Realismus, das er mit Storm und Fontane bildet, hat er sich klar als der Strahlendste behauptet. Das war nicht vorauszusehen. Das ist im Grunde eine Entwicklung der letzten Jahre. Das hat sich erst ergeben, seit man das Moderne in Raabe zu erkennen vermag, mit dem er dem doch insgesamt reichlich altbackenen Storm, dem immer eine Spur gefälligen Fontane überlegen ist«.

 Dieses Zitat aus der Literaturkritik hebt die Bedeutung und die Moderne von Wilhelm Raabe unmissverständlich hervor. Hervorgehoben werden soll auch, dass dieser bedeutendste Bürger des Weserberglandes vor 189 Jahren, am 8. September 1831, in Eschershausen geboren wurde. Der Schriftsteller ist zweifelsohne eine der bedeutendsten Persönlichkeiten des ehemaligen braunschweigischen Weserkreises sowie des Weserberglandes überhaupt.

Sein Rang und seine Bedeutung in der deutschen Literaturgeschichte sind in den letzten Jahren zunehmend gewachsen, denn die Forschung entdeckte die Moderne in den Werken Raabes und die Aktualität des Anwalts »der Außenseiter und Unangepassten, der Mühseligen und Beladenen« im stolzgeschwellten wilhelminischen Deutschland, der mit kritischer Beobachtungsgabe die Auswüchse seiner Zeit thematisierte und gnadenlos offen legte. Wilhelm Raabe brach eine Lanze für Geisteskranke sowie Prostituierte, und prangerte Vorurteile der Bürgergesellschaft offen an. Und mehr noch: Eine deutliche Raabe-Renaissance ist in den letzten Jahren zu erfahren und die zunehmende Attraktivität von Wilhelm Raabe beruht auf der Aktualität der Themen und Aussagen in Raabes Werken, insbesondere für Raabes warnende Auseinandersetzung mit den ökologischen Folgen der Umweltverschmutzung. Mit »Pfisters Mühle« schrieb er 1883 zu diesem Thema den ersten Roman, zu einer Zeit, als selbst Humanisten noch nichts mit dem Wort »Ökologie« anzufangen wussten.

Die Kritik am Kolonialismus im Roman »Abu Telfan«, die Auseinandersetzung mit der Sinnlosigkeit des Krieges als Mittel der Politik in »Odfeld« und vielen anderen Werken machen die aktuelle Bedeutung Raabes zusätzlich aus, so dass festgestellt werden kann: 

Wilhelm Raabe ist ein Dichter für das 21. Jahrhundert geworden – kritisch, visionär und aktuell!

Die bewahrte und gelebte Erinnerung an Wilhelm Raabe bestimmt die Identität von Eschershausen als »Raabe-Stadt«. Dazu tragen auch entschieden die Aktivitäten und die unermüdlichen Initiativen und die Begeisterungsfähigkeit der ehrenamtlichen Raabefreundinnen und –freunde im Raabemuseum bei und bewahren, gemeinsam mit der Internationalen Raabe-Gesellschaft Raabe und sein Wohnhaus in Eschershausen als »kulturelle Leuchttürme« von weit überregionaler und nationaler Strahlkraft.

Ende.