Donnerstag, 5. November 2020

Die Zensur von Druckschriften betreffend.


Schreiben, zensieren, drucken, transportieren - oder eben nicht - alles ist hier geregelt.


Verordnungs-Sammlung
für die
Herzogl. Braunschweigischen Lande.
6ter Jahrgang 1819.
Braunschweigische Verordnungssammlung Nr. 6 von 1819.
Verordnungssammlung 1819, Jahrg.6.
Verordnungs-Sammlung
Nro. 10.
Braunschweig, den 2. November 1819.

(21.) Verordnung, die Censur der Druckschriften betreffend.
D. D. Braunschweig, den 25sten October 1819.

Zensur Druckschriften betreffend 1819. § 1.
§ 1. Seite 71
GEORG, von Gottes Gnaden, Prinzregent des vereinigten Königreichs Großbritannien und Irland, auch des Königreichs Hannover, Herzog zu Braunschweig-Lüneburg ec. In vormundschaftlicher Regierung Unsers vielgeliebten Vetters, Herrn Carl, Herzogs zu Braunschweig-Lüneburg. ec.

Da in der 35sten Sitzung der Bundesversammlung vom 20sten September d. J. folgende provisorische Bestimmungen über die Censur und den Debit der Druckschriften beschlossen worden sind:

§. 1.
So lange, als der gegenwärtige Beschluß in Kraft bleiben wird, dürfen Schriften, die in der Form täglicher Blätter oder heftweise erscheinen, desgleichen solche, die nicht über zwanzig Bogen im Druck stark sind, in keinem Deutschen Bundesstaate ohne Vorwissen und vorgängige Genehmhaltung der Landesbehörden zum Druck befördert werden.

Schriften, die nicht in eine der hier namhaft gemachten Classen gehören, werden fernerhin nach den in den einzelnen Bundesstaaten erlassenen, oder noch zu erlassenden Gesetzen behandelt. Wenn dergleichen Schriften aber irgend einem Bundesstaate Anlaß zur Klage geben; so soll diese Klage im Namen der Regierung, an welche sie gerichtet ist, nach den in den einzelnen Bundesstaaten bestehenden Formen, gegen die Verfasser oder Verleger der dadurch betroffenen Schrift erledigt werden.

§. 2.
Zensur Druckschriften betreffend 1819, Seite 72.
Seite 72.
Die zur Aufrechthaltung dieses Beschlusses erforderlichen Mittel und Vorkehrungen bleiben der nähern Bestimmung der Regierungen anheimgestellt: sie müssen jedoch von der Art seyn, daß dadurch dem Sinne und Zwecke der Hauptbestimmung des §. 1 vollständig Genüge geleistet werde.

§. 3.
Da der gegenwärtige Beschluß durch die unter den obwaltenden Umständen von den Bundesregierungen anerkannte Nothwendigkeit vorbeugender Maßregeln gegen den Mißbrauch der Presse veranlaßt worden ist: so können die auf gerichtliche Verfolgung und Bestrafung der im Wege des Drucks bereits verwirklichten Mißbräuche und Vergehungen abzweckenden Gesetze, insoweit sie auf die im §. 1. bezeichneten Classen von Druckschriften anwendbar seyn sollen, so lange dieser Beschluß in Kraft bleibt, in keinem Bundesstaate als zureichend betrachtet werden.

§. 4.
Zensur Druckschriften betreffend 1819, Seite 73.
Seite 73.
Jeder Bundesstaat ist für die unter seiner Oberaufsicht erscheinenden, mithin für sämmtliche, unter der Hauptbestimmung des §. 1 begriffenen Druckschriften, insofern dadurch die Würde oder Sicherheit anderer Bundesstaaten verletzt, die Verfassung oder Verwaltung derselben angegriffen wird, nicht nur den unmittelbar Beleidigten, sondern auch der Gesammtheit des Bundes verantwortlich.

§. 5.
Damit aber diese, in dem Wesen des Deutschen Bundesvereins gegründete, von dessen Fortdauer unzertrennliche, wechselseitige Verantwortlichkeit nicht zu unnützen Störungen des zwischen den Bundesstaaten obwaltenden freundschaftlichen Verhältnisses Anlaß geben möge, so übernehmen sämmtliche Mitglieder des Deutschen Bundes die feierliche Verpflichtung gegen einander, bei der Aufsicht über die in ihren Ländern erscheinenden Zeitungen, Zeit- und Flugschriften mit wachsamen Ernste zu verfahren, und diese Aufsicht dergestalt handhaben zu lassen, daß dadurch gegenseitigen
Klagen und unangenehmen Erörterungen aus jede Weise möglichst vorgebeugt werde.

§. 6.
Zensur Druckschriften betreffend 1819, Seite 74.
Seite 74.
Damit jedoch auch die durch gegenwärtigen Beschluß beabsichtigte allgemeine und wechselseitige Gewährleistung der moralischen und politischen Unverletzlichkeit der Gesammtheit und aller Mitglieder des Bundes nicht aus einzelnen Punkten gefährdet werden könne; so soll in dem Falle, wo die Regierung eines Bundesstaates sich durch die in einem andern Bundesstaate erscheinenden Druckschriften verletzt glaubte, und durch freundschaftliche Rücksprache oder diplomatische Correspondenz zu einer vollständigen Befriedigung und Abhülfe nicht gelangen könnte, derselben ausdrücklich vorbehalten bleiben, über dergleichen Schriften Beschwerde bei der Bundesversammlung zu führen, letztere aber sodann gehalten seyn, die angebrachte Beschwerde commissarisch untersuchen zu lassen, und wenn dieselbe gegründet befunden wird, die unmittelbare Unterdrückung der in Rede stehenden Schrift, auch wenn sie zur Classe der periodischen gehört, aller fernern Fortsetzung derselben, durch einen entscheidenden Ausspruch zu verfügen.
Die Bundesversammlung soll außerdem befugt seyn, die zu ihrer Kenntniß gelangenden, unter der Hauptbestimmung des §. 1 begriffenen Schriften, in welchem Deutschen Staate sie auch erscheinen mögen, wenn solche, nach dem Gutachten einer von ihr ernannten Commission, der Würde des Bundes, der Sicherheit einzelner Bundesstaaten oder der Erhaltung des Friedens und der Ruhe in Deutschland zuwiderlaufen, ohne vorhergegangene Aufforderung aus eigener Autorität durch einen Ausspruch, von welchem keine Appellation statt findet, zu unterdrücken, und die betreffenden Regierungen sind verpflichtet, diesen Ausspruch zu vollziehen.

§. 7.
Zensur Druckschriften betreffend 1819, Seite 75.
Seite 75.
Wenn eine Zeitung oder Zeitschrift durch einen Ausspruch der Bundesversammlung unterdrückt worden ist; so darf der Redacteur derselben binnen 5 Jahren in keinem Bundesstaate bei der Redaction einer ähnlichen Schrift zugelassen werden.
Die Verfasser, Herausgeber und Verleger der unter der Hauptbestimmung des §. 1 begriffenen Schriften bleiben übrigens, wenn sie den Vorschriften dieses Beschlusses gemäß gehandelt haben, von aller weiteren Verantwortung frei, und die im §. 6 erwähnten Aussprüche der Bundesversammlung werden ausschließend gegen die Schriften, nie gegen die Personen gerichtet.

§. 8.
Sämmtliche Bundesglieder verpflichten sich, in einem Zeitraume von zwei Monaten die Bundesversammlung von den Verfügungen und Vorschriften, durch welche sie dem §. 1 dieses Beschlusses Genüge zu leisten gedenken, in Kenntniß zu setzen.

§. 9.
Zensur Druckschriften betreffend 1819, Seite 76.
Seite 76.
Alle in Deutschland erscheinende Druckschriften, sie mögen unter den Bestimmungen dieses Beschlusses begriffen seyn, oder nicht, müssen mit dem Namen des Verlegers, und, insofern sie zur Classe der Zeitungen oder Zeitschriften gehören, auch mit dem Namen des Redacteurs versehen seyn. Druckschriften, bei welchen diese Vorschrift nicht beobachtet ist, dürfen in keinem Bundesstaate in Umlauf gesetzt, und müssen, wenn solches heimlicher Weise geschieht, gleich bei ihrer Erscheinung im Beschlag genommen, auch die Verbreiter derselben, nach Beschaffenheit der Umstände, zu angemessener Geld- oder Gefängnißstrafe verurtheilt werden.

§. 10.
Der gegenwärtige einstweilige Beschluß soll, vom heutigen Tage an, fünf Jahre lang in Wirksamkeit bleiben. Vor Ablauf dieser Zeit soll am Bundestage gründlich untersucht werden, auf welche Weise die, im 18ten Artikel der Bundesacte in Anregung gebrachten, gleichförmigen Verfügungen über die Preßfreiheit in Erfüllung zusetzen seyn möchten, und demnächst ein Definitiv-Beschluß über die rechtmäßigen Grenzen der Preßfreiheit in Deutschland erfolgen.
so wollen Wir, in Gemäßheit desselben, Folgendes hierdurch verordnen und festsetzen:

Zensur Druckschriften betreffend 1819, Seite 77.
Seite 77.
Erstens: So lange der vorstehende Beschluß seine Kraft behalten wird, dürfen die im §. 1 bezeichneten Schriften nicht ohne die ausdrückliche Genehmigung der von Uns bestellten Censoren gedruckt werden.

Zweitens: Für die Städte, in welchen sich Druckereien befinden, nämlich Braunschweig, Wolfenbüttel, Helmstedt und Blankenburg, sollen zu diesem Ende Censoren bestellt, und deren Ernennung zur allgemeinen Kenntniß gebracht werden.

Drittens: Dieselben werden vorläufig, statt weiterer Instructionen, auf den Inhalt des vorstehenden Beschlusses der Deutschen Bundesversammlung zur genauesten Befolgung verwiesen.

Viertens: Was diejenigen Schriften betrifft, welche zu der Classe der im §. 1 des Beschlusses erwähnten nicht gehören, so bleibt es bei den Bestimmungen der Censur-Verordnung vom 28sten März 1814, so wie es auch bis auf Weiteres bei den Bestimmungen des §. 5 Nr. 1 und 3 derselben, in Ansehung der darin für besondere Gegenstände bestimmten Censur-Behörden, und übrigens denjenigen Verfügungen sein Bewenden behält, welche in Folge dieser Verordnung bereits erlassen sind.

Zensur Druckschriften betreffend 1819, Seite 78.
Seite 78.
Fünftens: Das in gedachter Verordnung wegen der Censur vorgeschriebene Verfahren, so wie auch die darin den Censur-Behörden zugebilligte Gebühr, sind auch auf die nach vorstehendem Beschlusse der Censur unterliegenden Schriften anwendlich.

Sämmtliche hiesige Landeseinwohner, besonders aber die Obrigkeiten, Censoren, Buchhändler und Buchdrucker haben hienach sich gebührend zu achten.

Urkundlich Unserer Unterschrift und beigedruckten Fürstl. Geheimen Canzlei-Siegels.


Braunschweig, den 25sten October 1819.

Auf Höchsten Special-Befehl
v. Schmidt-Phiseldeck.            v. Schleinitz.

Ende.