Seit Erfindung des Münzgeldes vor etwa 2.600 Jahren
wurden zunächst
im Mittelmeerraum, letztlich dann über den gesamten Globus hinweg,
Milliarden und Abermilliarden Münzen hergestellt — in aller Regel
in Form kleiner runder Metallscheiben mit beidseitig eingearbeiteten
Text— und Bildelementen. Aus
kulturgeschichtlicher Perspektive sind Münzen als historische
Originalzeugnisse also gerade deshalb so faszinierend, weil ihre
Materialeigenschaften, ihre Präge- und Fundorte sowie ihre Bild—
und Textgestaltung so überaus viel darüber verraten, wie Menschen
miteinander interagiert, wie sich politische Mächte legitimiert und
wie sich ganze Wirtschaftssysteme entwickelt haben: Münzen bieten
uns Einblicke in frühere Kulturen, die wir aus literarischen
Zeugnissen niemals gewinnen könnten. 1754 wurde mit dem „Kunst und
Naturaliencabinett“ (HAUM) eines der
ersten öffentlich zugänglichen Museen überhaupt eröffnet.
Münzgeld zu Raabes Zeit. ML. |
Neue Bezüge dank Schnittstellen
Die Digitalisierung
einer numismatischen Sammlung bietet die Möglichkeit, die starre
Ordnungslogik aufzulösen und den Sammlungsbestand in einer ganz
neuen Qualität nicht nur für die Öffentlichkeit, sondern auch für
die Forschung aufzubereiten: Die Daten, die sich zu den einzelnen
Sammlungsobjekten erheben lassen, werden fluide und lassen sich über
virtuelle Schnittstellen in Sekundenbruchteilen mit Daten aus anderen
Sammlungen weltweit in Beziehung setzen. So werden erstmals in großem
Stil statistische Abfragen etwa über den Münzumlauf, über
Hortbildungsmuster oder über den Einsatz bestimmter Bildelemente
möglich. Gerade über die
hochwertigen Bilddateien, die mit jedem Digitalisat verknüpft sind,
lassen sich die Objekte jetzt auch mit Verfahren der Künstlichen
Intelligenz untersuchen, und perspektivisch werden sich in absehbarer
Zeit in großer Zahl 3D-Modelle von Münzen einbinden lassen. Galt
die Anforderung „das Runde muss ins Eckige“ im Grunde schon für
die Münzkabinette alten Typs, so ist Sammlungstätigkeit heute ohne
das Instrumentarium des Digitalen kaum mehr denkbar.
Althistoriker
Prof. Dr. Johannes Wienand.
Alte
Geschichte, Technische Universität Braunschweig.
Neuer Impuls fürs Sammeln
Die alte Welt mit
Katalogen, Fachzeitschriften, Antiquariaten und Auktionen hat
ausgedient. Jeder Sammler kann mittlerweile im Internet weltweit
selbst auf die Jagd gehen. Es ist so leicht wie noch nie, an
Informationen zu kommen, zu größerer Transparenz, etwa bei der
Ermittlung aktueller Marktpreise. Auf den ersten Blick gefällt der
Trend den traditionellen Händlern natürlich nicht. Sie müssen sich
neu erfinden. Wer das nicht schafft, wird die Digitalisierung nicht
überleben. Denn tatsächlich wird die Digitalisierung dem Sammeln
allgemein einen neuen Impuls geben, schließlich geht es um den
Ausdruck von
Individualität.
Raabes Zeit: Herzog Wilhelm, BS. 1 Thaler von 1867. ML |
Die
Unternehmensgruppe Richard Borek steht seit 1893 im Dienst des
Sammlers. Bereits jetzt hat sich das Nutzungsverhalten der Kunden in
der digitalen Welt erheblich verändert. Auf die Homepage www.borek.de greifen die Kunden bereits mehr als 20 Millionen Mal pro Jahr zu.
Mittlerweile werden jährlich mehr als 500.000 Bestellungen über
E-Commerce abgewickelt. Das ist schon mehr als die Hälfte —
Tendenz steigend — und das bei einer doch eher konservativen und
älteren Kundschaft. Der Weg des Unternehmens wird weg vom
klassischen Handelshaus hin zu einem digitalen Dienstleister führen. Die Möglichkeiten sind nicht
absehbar. Dank der Blockchain-Technologie wird es zum Beispiel bald
möglich sein, die Echtheit hochwertiger und mobiler Sachwerte auf
Anhieb bestimmen zu können. Dazu wird ein hauchdünner, versiegelter
Code an den betreffenden Objekten angebracht, der weltweit überprüft
werden kann. In Echtzeit wird es für den Sammler möglich sein, zu
ermitteln, ob der geforderte Preis angemessen ist oder nicht. Und
umgekehrt wird es für Dienstleister möglich sein, Kunden ein
gezieltes Angebot für ihre Sammlung zu übermitteln, sofern sie ihre
digitale Sammlung zur Verfügung gestellt haben.
Angesichts der
schier unendlichen Möglichkeiten treibt die Unternehmen natürlich
die Frage um, was Menschen in 10, 20 oder 50 Jahren sammeln und wie
sie es tun werden. Denn Jäger und Sammler werden wir auch in der nächsten
Generationen bleiben, nur eben in anderer Form.
Richard
Borek, der Jüngere.
Briefmarkenfachhandlung
Richard Borek GmbH & Co. KG,
MDM
Münzhandelsgesellschaft mbH & Co. KG Deutsche Münze,
Archiv
Verlag.
Kurzausriss
aus: Vier Viertel Kult, SBK.
Herbst
2019.
Ende.